Travertin, Kalksinter, Kalktuff, Plattenkalk, Marmor
Als häufiges Sedimentgestein der Erdkruste begegnet uns Kalkstein sozusagen auf Schritt und Tritt: als Pflaster- und Wegschotter unter unseren Füßen, als Baumaterial für Kaiserburgen und Königsschlösser, als mächtiges Gebirgsmassiv in der Natur und als Fliese in unserem Badezimmer. Kaum ein anderes Gestein findet so viele Verwendungsmöglichkeiten.
Was ist Kalkstein?
Das Gestein besteht aus winzigen Kalzit-Kristallen. Kalzit (kristalliner Kalk) ist chemisch gesehen Kalziumkarbonat (CaCO3). Kalkstein ist das häufigste karbonatische Sedimentgestein der Erdkruste. Karbonate sind Verbindungen mit negativ geladenem Karbonat-Ion (CO32-) in ihrem Ionenmolekül. Wie bei Gips und anderen Salz-und Sedimentgesteinen handelt es sich um ein monomineralisches Gestein, das aus nur einem einzigen Mineral besteht und nicht – wie die meisten Gesteine – definitionsgemäß aus mehreren.
Farbe und Erscheinungsbild:
Reiner Kalkstein ist weiß, in reiner Form aber nur sehr selten .
Kalkstein im weitesten Sinne kann durch verschiedenste mineralische Beimengungen ganz unterschiedliche Farben und Marmorierungen annehmen. Sein gesamtes Erscheinungsbild hängt ganz von der Art des jeweiligen Kalkgesteins ab.
Kalkstein entsteht durch Verwitterung:
Kalkstein entsteht aus den Zerfallsprodukten kalkhaltiger Gesteine und ist somit eine Verwitterungsneubildung. Das Gestein wird zunächst in Wasser gelöst. Durch Ausfällen von Kalk wiederum bildet sich während komplexer Prozesse Gestein bzw. Mineral. Die gelösten Kalzium- und Karbonat-Ionen gelangen über Flüsse in die Weltmeere. Eine Vielzahl von Lebewesen benötigen den gelösten Kalk, um ihn als Stoffwechselprodukt in Form von Schalen, Skeletten und Gehäusen wieder auszuscheiden – meist als Kalzit, aber auch als Aragonit. Nicht nur Schnecken, Muscheln und ähnliche Tiere, sondern eine ganze Reihe planktonischer, also frei im Wasser treibender, einzelliger Kleinstlebewesen sowie die Riffe bildenden Schwämme, Korallen, Moostierchen und Kalkalgen sind auf den Kalk angewiesen. Nach ihrem Absterben bleiben die Gehäuse auf dem Meeresboden liegen, wo sie im Laufe der Zeit verfestigt werden und mächtige fossile Gesteinsschichten aufbauen können.
Entstehung von Kalkstein in der Erdgeschichte:
Die weitaus häufigste Form von Kalkgestein sind die geschichteten Kalksteine. Ist die Schichtung sehr massiv, nennt man sie gebankt. Plattenkalke dagegen sind wesentlich dünner geschichtet; sehr dünne Platten werden fälschlicherweise auch als Schiefer bezeichnet (z.B. Solnhofener Schiefer). Die horizontalen, bis zu mehreren tausend Metern mächtigen Ablagerungen sind die Überreste der Meere längst vergangener Zeiten – entstanden durch das Ausfällen von Kalk.
Der Ausfällungsprozess ist vor allem klimatisch bedingt und abhängig von der im Wasser gelösten Kohlensäure-Konzentration. Die Kohlensäure stammt letztendlich aus der Luft: Regen filtert Kohlendioxid (CO2) aus; im Wasser entsteht Kohlensäure (H2CO3). Je mehr Kohlensäure im Wasser vorhanden ist, desto mehr Kalk löst sich. Bei Abkühlung des Ozeanwassers erhöht sich der Kohlensäuregehalt; mehr Kalk wird gelöst, und er fällt weniger oder gar nicht aus. Gleichzeitig verringert sich bei niedrigeren Temperaturen die Anzahl einzelliger Algen, die dem Wasser Kohlendioxid entziehen, so dass sich dieser Effekt verstärkt.
Über Jahrmillionen andauernde klimatische Trockenphasen führten durch Verdunstung zur Abnahme der Wassermenge und dem allmählichen Verschwinden der Meere. Ein Beispiel ist die starke globale Erwärmung während des Perm (vor 290 bis 250 Millionen Jahren): Großflächige Meeresbereiche, vornehmlich Lagunen, verdunsteten. Der Vorgang gipfelte in der Eindampfung des Zechsteinmeeres in ganz Europa. Dabei wurde zunächst Kalk ausgefällt und dann – in großem Ausmaß – Salzgesteine.
Der Mitteleuropäische Jura:
Da es stets Meere gab, treten Kalksteine in den verschiedensten Epochen der Erdgeschichte auf. Die wohl mächtigsten und bekanntesten Ablagerungen dieser Art sind die des Jura. Der heutige Begriff Jura beschreibt einen zusammenhängenden Mittelgebirgszug, beginnend mit dem französischen Jura in nordöstlicher Richtung über den schweizer Jura zum schwäbischen Juragebiet (Schwäbische Alb), weiter über das Altmühltal bis zum fränkischen Jura (Fränkische Alb). Er beschreibt in etwa die Linie: Lyon – Basel – Ulm – Nördlingen – Nürnberg – Bamberg.
Das europäische Jura-Meer:
Im Rhät (Trias) vor ca. 210 Millionen Jahren drang die heutige Nordsee von Norden her über die Mitteldeutsche Straße nach Süden bis zu den Haßbergen (nordöstlich von Schweinfurt) vor. Über die Hessische Straße und vom südwestlichen Rhone-Becken breiteten sich Meere im unteren Jura bis in den fränkischen Raum aus. Bereits im unteren Jura also gab es ein zusammenhängendes fränkisch-schwäbisches Meeresbecken, das Jura-Meer. Dieses Flachmeer bestand während des gesamten Jura-Zeitalters bis vor 195 Millionen Jahren. Im Mitteljura, vor ca. 170 Millionen Jahren, überflutete das Jura-Meer die sich absenkende Vindelizische Schwelle und verband sich mit der Tethys. Dieses zentrale Mittelmeer lag zwischen den Urkontinenten Gondwana und Laurasia in äquatorialer Richtung. Das heutige Mittelmeer, das Schwarze und das Kaspische Meer sind die Überreste der Tethys.
Plattenkalke:
In der Gegend um Solnhofen und Eichstätt im Altmühltal (Bayern) werden bereits seit der Römerzeit geschichtete Kalksteinplatten abgebaut. Die Feinkörnigkeit des Gesteins ermöglichte die Verwendung als Lithographiestein im Steindruck bereits seit 1796. Seine gleichmäßige Härte und feine Oberfläche machten den Stein weltweit konkurrenzlos. Sehr beliebt war er als Bildhauerstein; außerdem wurde der Kalkstein als Baumaterial in Kirchen und Palästen verwendet: In der Hagia Sophia in Istanbul ist der Boden mit Solnhofener Plattenkalk ausgelegt.
Mit dem Fund des Urvogels Archaeopteryx 1861 erlangten die Solnhofener Plattenkalke paläontologischen Weltruhm. Der Archaeopteryx wurde etwa ein Jahr nach der Veröffentlichung von Darwins umstrittenem Buch „Von der Entstehung der Arten“ entdeckt und spielte in Darwins stark umstrittener Evolutionstheorie eine entscheidende Rolle. Die Fossilien der Plattenkalke sind zum Teil hervorragend erhalten. Allerdings wird so mancher Fossiliensammler oder Besucher enttäuscht sein: Gut erhaltene Fossilien treten meist nur beim systematischen Abbau des Gesteins zutage und verbleiben zunächst bei den Steinbruchbesitzern. Fossilien in den Solnhofener Schichten sind im Vergleich zu anderen Orten sogar eher selten.
Triadische Riffe in den Alpen:
In riesigen Sedimentationsbecken der Ausläufer des Urmittelmeeres Thetys wurden während der Trias( vor 250 – 210 Millionen) Jahren im Bereich der Dolomiten, im Dachsteingebirge und in den Nördlichen Kalkalpen bis zu dreitausend Meter mächtige Kalk- und Dolomitsteinschichten abgelagert, und an flacheren Stellen entstanden riesige Riffe. Ihre fossilen Reste sind in den nördlichen Kalkalpen überall zu finden. Im seichten Flachwasserbereich des Jura-Meeres in der Fränkischen Alb waren Schwammriffe häufig und sind als sogenannte Schwammstotzen fossil überliefert . Im Voralpenbereich ist auch Muschelkalk nicht selten.
Kalksteinbildende Einzeller:
Die berühmten Kreidefelsen von Rügen bestehen aus den Gehäuseresten von Abermilllionen von Einzellern – sogenannten Coccolithen – und weiteren einzelligen planktonischen Organismen wie Foraminiferen (Kammerlinge). Fossile Vertreter erreichten Durchmesser bis zu 15 cm und sind damit die größten Einzeller aller Zeiten.
Der Dolomit, der Bruder des Kalksteins:
Ein sehr nahe verwandtes und auch optisch kaum unterscheidbares Gestein ist der Dolomit. Dolomit kann noch im Meeresbecken aus ausgefälltem Kalkstein hervorgehen. Bei der Dolomitisierung werden unter hohem Wasserdruck in der Tiefsee allmählich Kalzium-Ionen durch Magnesium-Ionen ersetzt. „Idealer“ Dolomit (CaMg(CO3)2) besteht je zur Hälfte aus Kalzium- und Magnesium-Ionen.
Kalksinter:
Erwärmt sich stark kalkhaltiges, unteridisch fließendes Wasser an Quellaustritten, wird im Wasser gelöste Kohlensäure frei und Kalk scheidet sich ab. Wird das Wasser an steile Bachläufe gut bewegt, verstärkt sich der Vorgang, da Kohlendioxid besser entweichen kann. Im Laufe der Zeit entstehen so Schicht für Schicht Dutzende Meter kristallinen Kalkes und durch Sinterablagerung versetzte Terrassen. Die schönsten Sinterbildungen Europas aus schneeweißem Kalk kann man in Pamukale in der Türkei bewundern.
Sintergesteine haben meist feinkörnige Kristallstruktur, sind sehr porös und stark gebändert. Aus kaltem Wasser kristallisiert vornehmlich Kalzit aus, an heißen Quellen und Geysiren Aragonit. Oft werden Pflanzenreste umschlossen, die dann die Zeiten als Sinterfossil überdauern.
Der abgesetzte Kalk kann sehr porös sein, deshalb spricht man auch von Kalktuff. Nicht zu verwechseln mit den vulkanischen glasartigen Gestein, das ebenfalls Tuff genannt wird. Im Natursteinhandel wird stark abgelagerter und verhärteter Kalktuff als Travertin angeboten und zu Bauzwecken verwendet. Sehr schöne Travertine stammen u.a. aus Italien.
Steter Tropfen macht den Stein:
Tropfsteine sind ebenfalls Kalksinter, nur daß sie in Höhlen in Zapfenform von der Decke oder vom Boden wachsen. Die von oben wachsenden Tropfsteine nennt man Stalaktiten, die von unten wachsenden Stalagmiten. Im Gegensatz zum bekannten Sprichwort wird hier also aus stetem Tropfen Stein gebildet – und nicht etwa ausgehöhlt.
Karst:
Wenn kohlensäurehaltiges Wasser unterirdisch durch das Gestein fließt, wird der Kalk durch die Kohlensäure gelöst – es entsteht der Karst. Diese Hohlräume treten als weitläufige Höhlensysteme auf. Besonders ausgedehnte Höhlen finden sich im französischen Jura. In der Höhle von Lascaux zum Beispiel suchten schon unsere Vorfahren vor etwa 10 000 bis 20 000 Jahren Unterschlupf und hinterließen kunstvolle Darstellungen an den Wänden.
Hin und kommt es in oberflächennahen Gängen zum Einsturz der Höhlendecke, so dass ein trichterförmiges Loch von der Erdoberfläche zur Höhle entsteht. Diese Dolinen genannten Trichter werden für viele Tiere zur tödlichen Falle: Mengen vorzeitlicher Knochen von Bären, Hirschen und anderen Tieren sammeln sich so im Laufe der Zeit in der Höhle an. Der Nachwelt bleiben auf diese Weise oft vollständige Skelette der Tiere erhalten.
Wird auf vor langer Zeit entstandenen Kalkschichten ständig neues Sediment abgelagert, nimmt der Druck auf die unteren Schichten zu. Durch die entstehende Hitze verändert sich die Kristallstruktur des Kalksteins: Es bilden sich – im Gegensatz zum mikrokristallinen Kalkstein- Kristalle mit einer Größe von mehreren Millimetern. Dieses früher als“Urkalk“ bezeichnete Kalkgestein ist der Marmor. Hoher Druck und hohe Temperaturen treten auch in der Erdkruste im Kontaktbereich mit dem Magma vulkanischer Gänge auf, so dass auch dort Marmor entstehen kann. Metamorphite sind Gesteine, die derartigen verändernden Einflüssen unterliegen (griech. metamorphosis =Umwandlung). Die Bezeichnung Marmor wird im Handel fälschlicherweise für vielerlei Gesteine verwendet. Meist handelt es sich hierbei um „normale“ Kalksteine.
Die Übergänge vom Kalkstein zum Marmor sind fließend. Im Natursteinhandel werden marmorierte, feinkristalline, schleifbare Kalksteine oder Gesteine vollkommen anderer Zusammensetzung (z. B. Serpentinstein) fälschlicherweise oft als Marmore bezeichnet. Bei echtem Marmor handelt es sich allerdings ausschließlich um grobkörnige, kristalline, metamorphe Gesteine. Er ist lichtdurchlässig , nicht oder nur sehr wenig marmoriert und hat keine Hohlräume. Echter Marmor enthält auch niemals Fossilien, da diese durch die Metamorphose komplett aufgelöst werden. Marmor kann wie Kalkstein durch verschiedene Mineralbeimengungen die unterschiedlichsten Farbtöne aufweisen. Weltberühmt ist der edle weiße Marmor aus Carrara, den schon Michelangelo für seinen David und andere Skulpturen verwendete. Dieser Marmor entstand aus Ablagerungen der Trias ( 250 bis 210 Millionen Jahre) und lässt Licht bis zu 30cm tief durchscheinen.
Industrielle Bedeutung:
Zur Entfernung von SO2 aus Rauchgas:
Kalkstein – in Form von Marmor oder aus Austernschalen gewonnen – wird verwendet, um giftiges Schwefeldioxid (SO2) aus Rauchgas zu entfernen. Rauchgas bildet sich bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe. Die Kohle wird vor der Verbrennung mit Kalk vermischt; das Schwefeldioxid bindet sich an die Kalzium-Ionen. In der Asche entsteht Gips (CaSO4).
Erzverhüttung:
Bei der Verhüttung von silikathaltigen Erzen wird Kalkstein – häufig als besonders reiner Marmor – zur Schmelze gegeben. Dadurch trennen sich Silikat- und metallischer Anteil. Das Kalzium reagiert mit Siliziumdioxid (SiO2) zu amorphem (nichtkristallinem) Kalziumsilikat. Diese Schlacke (CaSiO3) ist das Abfallprodukt der Glasherstellung.
Mörtel ist gebrannter Kalk:
Durch Hitzeeinwirkung auf Kalk entsteht aufgrund des Sauerstoffes zunächst gebrannter Kalk (Kalziumoxid, CaO), der als Mörtel verwendet wird. Wasserzugabe macht aus dem gebrannten den gelöschten Kalk (Kalziumhydroxid, CaOH2). Dieser wiederum reagiert mit dem Kohlendioxid aus der Luft zu verfilzten, festen Kristallnädelchen aus kristallinem Kalk (CaCO3).
Glasherstellung:
Glas wird aus Quarzsand (SiO2), Soda (Na2Co3) und Kalk hergestellt. Bei Erhitzen der Mischung entsteht Löschkalk (CaO, s.o.) und Natriumoxid ( NaO2). Beides wird beim Verschmelzen des Quarzsandes in die amorphe Silikatstruktur des Glases zu dessen Stabilisierung eingebaut.
Weitere Verwendungsmöglichkeiten: in der Bauindustrie, Bildhauerkunst, zur Verbesserung landwirtschaftlichen Bodens, bei der Papierherstellung.
Vorkommen:
Weltweit; abbauwürdige Vorkommen in Predazzo und Carrara/Italien, Vintschgau/Italien, Griechenland, Schlesien/Polen, Spanien, Frankreich, Belgien, Norwegen, Zentralalpen, Tirol und Kärnten/Österreich, Cornwall/England, Schottland u.v.a.
Vorkommen in Deutschland: Odenwald, Fichtelgebirge, Oberpfälzer Wald, Schwarzwald, Erzgebirge, Riesengebirge, Marxgrün/Oberfranken/Bayern u.a.
Kalkstein:
Weltweit; Salzburg/Österreich, Flandern/Belgien, Tschechoslowakei, Marokko, Tunesien,
Algerien, Frankreich, Venezien/Italien, Tivoli/Toscana/Italien
Vorkommen in Deutschland: Schupach/Hessen, Baden, Schopfloch/Schwäbische Alb/Württemberg, Rosenheim/Bayern, Ruhpoldling/Bayern, Nehden/Nordrhein-Westfalen, Rheinisches Schiefergebirge, Solnhofen/Bayern,Treuchtlingen/Oberfranken/Bayern, Mainzer Becken/Rheinland-Pfalz, Niedersachsen u.a.
Kalktuff, Travertin:
Polling/Oberbayern, Stuttgart-Bad Cannstatt/Baden-Württemberg, Langensalza/Thüringen, u.a.