Die Ediacara-Fauna: erste vielzellige Lebewesen?

Als Ediacara-Fauna werden die Makrofossil­gesellschaften aus der Zeit des ausgehenden Proterozoikums vor etwa 580–540 Mio. Jahren, auch Vendium oder Ediacarium bezeichnet. Die typische und namengebende Lokalität der damals scheinbaren Erstfunde im Jahr 1947 durch den damals zunächst verkannten Paläontologen Reginald Sprigg liegt in der Nähe von Adelaide in den Flinders Ranges der südaustralischen Ediacara-Hügel. Es handelt sich um den Fundort der scheinbar ältesten bekannten vielzelligen Organismen der Erdgeschichte und abgesehen von den einzelligen Cyanobakterien auch um die einzigen bekannten Organismen deren Lebenszeit jenseits der Grenze Kambrium/Präkambrium liegt, die schließlich früher als „Lebensgrenze“ definiert wurde. Damals waren die Fossilien der Ediacara-Fauna sensationelle Funde. Später wurden entsprechende Funde weltweit gemacht. Auch in den Archiven der Päläontologischen Institute fanden sich im Nachhinein Exponate, die der Ediacara-Faune zuzuordnen sind. Bislang sind mehr als 20 ähnliche Fundstätten auf allen Kontinenten in Australien, Afrika, Asien, Europa und Südamerika bekannt geworden. Bedeutende Archive dieser auch „vendische Biota“ genannten Fossilien befinden sich auf der Avalon Peninsula im Südosten Neufundlands, an der Winterküste des Weißen Meeres im Nordwesten Rußlands, im Nordwesten Kanadas und in Nordyakutien in Sibirien.

Die Fossilien der Ediacara-Fauna sind als Abdrücke in Schelf­sedimenten überliefert. Die Lebewesen, die diese Abdrücke hinterließen besaßen kaum mineralische, fossil erhaltungsfähige Hartteilskelette. Einige Hohltiere aus Brasilien haben chitinartige Skelettreste hinterlassen. Es wird meist vermutet, dass es sich bei den Vertretern der Ediacara-Fauna überwiegend um sehr „primitive“ vielzellige Tiere (Metazoa) handelt. Dennoch ist die systematische Zuordnung der Ediacara-Lebewesen bis heute sehr umstritten. Manche Autoren sind sogar der Meinung, dass es sich vorwiegend um riesige Einzeller handelt, die durch ein kammerartiges Schlauchsystem stabilisiert wurden, wie etwa bei einer Luftmatratze.

Wahrscheinlich handelt es sich jedoch um Verteter und Vorläufer folgender Gruppen:

Hohltiere (Coelenterata), ca. 67% , z.B. Seefedern (Pennatulacea), mit Ediacaria und Rangea
und Gattungen von Medusenartigen (quallenartige Tiere)
Weichtiere (Mollusca)
Schwämme (Porifera)
Gliedertiere (Arthropoda) z. B. Parvancorina, Praecambridium
Nesseltiere (Cnidaria)
Ringelwürmer (Annelida), ca. 25% z. B. Dickinsonia
Dreiarmer (Trilobozoa), neuer ausgestorbener, den Stachelhäutern nahestehender Tierstamm, z.B. Tribrachidium

Seefeder
Seefeder
Rangea spec., eine Seefeder
Rangea spec., eine Seefeder (Bild: Wikimedia User Ghedoghedo Lizenz CC BY-SA 3.0)
Parvancorina
Parvancorina wird als trilobitenartig angesehen und deshalb als Arthropode eingestuft
Parvancorina spec. Houston Museum of Natural Science, Houston, Texas, USA
Parvancorina spec. Houston Museum of Natural Science, Houston, Texas, USA (Bild: Wikimedia gemeinfrei)
Dickinsonia costata
Dickinsonia costata, wahrscheinlich ein Wurm (Annelida) (Bild: Wikimedia User Smith609 Lizenz CC BY-SA 2.5)
Tribrachidium heraldicum
Tribrachidium heraldicum, neuer fossilier Tierstamm (Bild: Wikimedia User Alnagov Lizenz CC BY-SA 3.0)